Brigitte Niedermair – Eccehomo

22.09.2018 – 09.12.2018

Der Körper als Erinnerungsort

Die international erfolgreiche Fotokünstlerin Brigitte Niedermair zeigt mit der Ausstellung „eccehomo“ auf Schloss Tirol Fotoarbeiten zur Gletschermumie „Ötzi“. Sie holt dabei nicht einfach die Schnalser Gletschermumie in den Ausstellungsraum, sondern sie schafft den Sprung von der Wahrnehmung des Realkörpers hin zur Bildmachung des menschlichen Körpers. Die Titelwahl „eccehomo“ kommt von der Künstlerin selbst. Damit ist der Fingerzeig auf den Körper gerichtet, der als Gedächtnisspeicher das gesamte Leben präsent hält, das nachschlagbar wird wie in einem Buch. Der Körper dient als Memoria, als biographische Chiffre. In der Kulturgeschichte hat die „Bildwerdung des Körpers“ eine lange Tradition, die weit in das Mittelalter hineinreicht und Wurzeln in der Antike kennt. Gegen das Vergessen menschlicher Biografie wird der bildhafte Körper eingesetzt. Besonders ist es die Haut, die als sicht- und tastbarer Gedächtnisspeicher des Menschen gilt. An ihr zeichnet sich alles ab, was Biografie wirklich ist und war. Die Haut wird zur Metapher des Biografischen.

Dass der Blick auf den Menschen fällt, der keineswegs sichtbare Zeichen des Todes an sich hat, sondern wie im stillgestandenen Augenblick für Jahrtausende gleichbleibt, mag bei Brigitte Niedermair die Überzeugung gefestigt haben, „Adam“-Ötzi als einzigen Mann im Porträt festzuhalten. Kein Porträt kann stärker sein.

In der Ausstellung umspannt die Fotografie mit dem „Mann aus dem Eis“ einen ganzen Raum. Der dreidimensionale Körper wird in seiner zweidimensionalen Umschöpfung zur „Haut“ des Betrachters. Es ist der Körper, der umfängt. Damit stellen sich die Rezipienten selbst in einen medialen Erfahrungsraum, der das eigene Selbst zum „Objekt“ vor dem „Objekt“ werden lässt, das „Subjekt“ vor dem „Subjekt“. „eccehomo“ kann wie eine Beschwörungsformel gelesen werden, gerade auch im Menschen eine Aufhebung herkömmlicher Kategorien zu versuchen.

Brigitte Niedermair (Meran, 1971) ist seit über zwanzig Jahren als Fotografin tätig und alterniert zwischen künstlerischer Arbeit und Modefotografie. Die Erfahrungen, die sie in beiden Bereichen gesammelt hat, ermöglichten ihr eine einheitliche künstlerische Sprache zu entwickeln, die ihr auf internationaler Ebene Erfolg verleihen. Seit den neunziger Jahren erforscht sie mit großem ethischen Engagement und Feingefühl das Thema der Identität und den Körper der Frau. In jüngster Zeit verfolgt sie in ihrer künstlerischen Arbeit eine konzeptionelle Richtung. Ihr Werk entwickelte sich auch aus einer konstanten Zeit-, Erinnerungs- und Reflexionsforschung der Sprachen der Kunstgeschichte selbst, wie im Falle der Neuinterpretation der Malerei von Giorgio Morandi, der Werke von Sol LeWitt oder der Spuren großer bedeutender Künstler der Vergangenheit in der Immaterialität der digitalen Welt. Ihre von starker Persönlichkeit geprägte künstlerische Sprache kann zu den intensivsten und eigenständigsten Ausdrucksformen der zeitgenössischen Fotografie gezählt werden.

Fridericus Dux Austriae. Der Herzog mit der leeren Tasche

06.07.2018 – 25.11.2018

Herzog Friedrich IV. von Österreich (1382–1439), benannt „mit der leeren Tasche“, stand nicht arm und mittellos da. Durch seine Politik förderte er eine prosperierende Entwicklung, die Tirol zu einem der begehrtesten Länder im Herzen Europas machte. Bergbau und Handel brachten den wirtschaftlichen Aufschwung.

Die Ausstellung geht den zentralen Themen im Leben des Habsburgers nach. Beleuchtet wird die Erinnerungskultur, die aus dem Mythos und der Sagenwelt schöpft. Zudem wird von den kriegerischen Ereignissen in Appenzell erzählt, als dem jungen Herzog sein Besitz streitig gemacht wurde. Folgenschwer erwies sich die Schutzfunktion Friedrichs über den Gegenpapst Johannes XXIII., die ihm die Acht des Königs einbrachte und in vorübergehend „mit leeren Taschen“ dastehen ließ. Friedrich verlegte seine Residenz von Meran nach Innsbruck, gründete den Hof unter den Bürgern, stellte sich vehement gegen den ihn bekämpfenden Adel. So zwang er den mächtigen Heinrich von Rottenburg in die Knie, ließ mit Kanonen die den Starkenbergern gehörende Burg Greifenstein belagern und mischte sich in das weltliche Geschäft der Bischöfe ein. Eine innige Freundschaft verband ihn mit Hans Wilhelm von Mülinen, was sich nicht zuletzt in Verträgen und Bildstiftungen niederschlug. Für die bildende Kunst hatte Friedrich nicht viel übrig, wenngleich es zu seiner Zeit zu einem ersten Höhepunkt in der Entwicklung der Gotik kam. Tirol konnte seinen Herzog auch nach seinem Tod nicht vergessen. Die Erinnerungskultur des Barock und vor allem das an mittelalterlichen Themen haftende 19. Jahrhundert erwecken das Interesse an der historischen Gestalt. In der frühen Geschichtsschreibung überwiegen kritische Stimmen.

140 ausgestellte Objekte ermöglichen nun eine neue Begegnung mit dem Landesfürsten, dessen Politik nachhaltig die Geschicke des Landes prägte und ihn zu einer Symbolfigur eines geeinten Landes macht.

Artur Nikodem. Zwischen Stadt und Land

17.03.2018 – 03.06.2018

Zwischen Stadt und Land.

Zum ersten Mal nach achtzehn Jahren wird in Südtirol wieder eine Ausstellung zu Artur Nikodem gezeigt. Nikodem, der 1870 in Trient geboren wurde und fünfzehn Jahre seines Lebens in Meran verbrachte, zählt zu den bedeutendsten Künstlern der frühen Moderne in Tirol. Die Faszination für das Licht und für Lichteffekte, das Spiel mit Formen und Farben charakterisieren seine Malerei.

Die Ausstellung zeigt anhand von Landschaftsbildern und seinen von Menschen inspirierten Arbeiten einen repräsentativen Querschnitt durch sein malerisches Oeuvre. Mit Ausnahme einiger weniger Werke stammt der Großteil aus Privatbesitz und wird zum Teil erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Schau umspannt beinahe alle Schaffensperioden des Künstlers. Sie beginnt mit seinen sezessionistisch anmutenden Werken aus seiner Meraner und seiner frühen Innsbrucker Zeit und reicht bis zu den abstrakten Kleinformaten seiner Spätzeit. Auch das nicht nur für Artur Nikodem, sondern für die gesamte bildende Kunst Tirols wichtige Ereignis, die große Wanderausstellung in Deutschland in den Jahren 1925/26, ist Teil der Ausstellung auf Schloss Tirol. Ihre erste Station in Gelsenkirchen wird anhand einer Bildprojektion präsentiert.

Peter Senoner – BOTANICALIRIOUS

07.10.2017 – 26.08.2018

Peter Senoner ist, sei es als Zeichner, sei es als Bildhauer, ein Körperbesessener. Und er ist, sei es als Zeichner, sei es als Bildhauer, ein Künstler der Hybridität. Beide Begriffe stehen gegenwärtig im Zentrum heftig geführter Debatten. Radikale Positionen des Posthumanismus streben unter dem Schlagwort „Cyborgisierung des Menschen“ eine Überwindung des als mangelhaft empfundenen Körpers an und sehen darin den nächsten großen Zivilisationssprung, Kritiker sehen in einem fortschreitend entkörperten Selbst den Körper selbst verschwinden.

Früh, fast prophetisch früh, hat Peter Senoner sich mit der Digitalmoderne und den Biotechniken auseinandergesetzt. Als er seine hybriden Körperskulpturen zu Anfang des neuen Jahrtausends erstmals öffentlich ausstellte, wirkten sie noch wie Science-Fiction-Utopien, heute ist offensichtlich, dass es ebenso Geschöpfe der Fiktion wie der gesellschaftlichen Wirklichkeit sind.

Am Anfang von Peter Senoners künstlerischer Entwicklung stehen jedoch nicht diese Diskurse, sondern eine geradezu manische Obsession für den menschlichen Körper. Umgesetzt hat er diese Manie zunächst im Medium Zeichnung. Anthony Gormley, einer seiner Lehrer an der Münchner Akademie, verschaffte ihm ein eigenes Modell, mit dem er lebensgroße Aktzeichnungen auf Papier anfertigte. Zugleich bastelte er Maschinenobjekte, die seiner zweiten Obsession – der für Bewegung und automatisierte Abläufe – Ausdruck verliehen.

Die Verschmelzung beider Obsessionen gelang im Material Holz und paradoxerweise an einem Ort, der am wenigsten verdächtig ist für die altehrwürdige Kunst der Holzbildhauerei und deren schwerblütige Verbundenheit mit der Heimaterde: in New York. In der Welthauptstadt der internationalen Kunst findet er zum Material aus der väterlichen Werkstatt zurück. Die Gründe waren alles andere als nostalgischer Natur. Holz war in der von Kunststoffen aller Art dominierten Kunstwelt ein Alleinstellungsmerkmal, es war authentisch und es erlaubte die formale Präzision, die auch seinen peniblen Zeichnungen eigen ist.

Die Attribute seiner Mensch/Maschine-Figurationen, ihre technoiden Verwachsungen am Kopf – alle seine Skulpturen sind Kopf-Körper, sämtliche weiteren Körperfunktionen scheinen wie bei den Cyborgs überflüssig zu sein –, ihre Geschlechtslosigkeit, ihre radikale Verweigerung humanistisch geprägter Identität antizipieren künftige Wirklichkeiten, die in den Life- und Cyberscience bereits Gestalt annehmen. Der mächtige COR, der auf einem fünf Meter hohen Drahtseil-Sockel vor Schloss Tirol auf Meran hinabschaut, verharrt in einem Schwellenstadium zwischen humanem und posthumanem Körper, einem Kippmoment des Nicht-Mehr und des Noch-Nicht.

Die Zeichnungen

Hybridität und seine ältere Schwester, die Metamorphose, sind auch das grundlegende künstlerische Konzept von Peter Senoners Zeichnungen. Die sieben großformatigen (250 x 125 cm) Arbeiten im Bergfried von Schloss Tirol sind, wie schon der Titel „Botanicalirious“ (eine Kombination aus Botanical und Delirious) ausdrückt, Hybride in sich. Im Unterschied zu seinen Skulpturen verschmilzt er auf den Zeichnungen nicht Mensch und Maschine, sondern lässt Mensch und Pflanze verwachsen.

Der Ausgangspunkt sind klassische Aktzeichnungen. Wie in seiner Studienzeit zeichnet er ganz akademisch am Modell, danach geht er ins Freie und sucht eine Pflanze, einen Zweig oder eine Blüte, die er in virtuoser Detailtreue mit dem gezeichneten Körper kombiniert. Die Körper beherrschen den Bildraum, doch die akribisch ausgeführten Umrisslinien tendieren zur Formauflösung. Sie überschneiden, mischen, überlagern, überzeichnen sich gegenseitig zu Körpern über Körper über Körper. Sie schweben in einer Welt ohne Perspektive, werden von sich selbst überflutete Gestalten, die in einem beständigen Taumel ihre Gestalt ändern. Es gibt kein Oben und kein Unten, die Körper springen hin und her, verweigern sich jeder Statik.
Unübersehbar spiegeln diese analogen Körper den digitalen Strudel virtueller Welten. Hinter jedem Bild tut sich wie auf einem Bildschirm ein weiteres Bild auf. Wie ein Interface verbinden die Zeichnungen das ortlose digitale Orientierungsgefühl, in dem keine Setzung abschließend ist und Inhalte fortwährend den Kontext wechseln, mit der physischen Welt.

Im Kontrast zur polymorphen Körperwelt, die mit einem Bein im Virtuellen steht, beharrt die Pflanzenwelt auf ihrer sinnlich klaren Präsenz. Es ist dieses Changieren zwischen materieller Dichte, Leerzonen – ganze Partien bleiben unbearbeitet – zeichnerisch scharf notierten Details und malerisch flüchtiger Lavierung, das den Bildern ihre Spannung verleiht.

Formal handelt es sich um Zeichnungen – Senoner verwendet nichts außer Graphit –, doch auch als Zeichner nähert er sich der Bildhauerei an. Ganze Partien der Bildoberfläche sind mit Schleifpapier behandelt, was sie rau, schrundig und von turbulenter Materialität macht. Hybridität schlägt auch in der bildhauerischen Methode des Zeichnens durch. Dieser Idee Form zu geben – darum geht es in Peter Senoners Zeichnungen.

Heinrich Schwazer

Nach der Winterpause des Landesmuseums wird man auch diese Ausstellung wieder besichtigen können, von 15.03. bis 26.08.2018.